die frage nach dem bloggen beschäftigt mich schon eine weile, genau genommen einige jahre. das ist mit ein paar neben- und nachwirkungen von covid19 eher schlimmer als besser geworden. grundsätzlich, um es in den zeitlosen worten der barden von fettes brot zu sagen, lautet die frage
soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein?
und die ist ebenso korrekt mit „jein“ zu beantworten.
es ist schon paradox: in den nullerjahren war die credo des bloggens, möglichst überall präsent zu sein, um nur ja gefunden und gelesen zu werden; auf jeder social-media-hochzeit mitzutanzen, accounts allüberall zu pflegen und eine „audience“ zu bespielen, klout um jeden preis. die fragen: was nutzt mir das? oder: will ich das eigentlich? galt es einfach, sich nicht zu fragen.
die hochglanz-magazinifizierung der meisten blogs verstörte mich, heute ist es mehr die überlegung, dass ich weniger präsent im web sein möchte. ich möchte meine daten und persönlichen informationen nicht mehr direkt meta oder google (und by proxy allen gierigen jetzigen und kommenden regierungen faschistischer staaten) zuwerfen; ich verringere meine sichtbarkeit.
möchte ich wirklich noch buchrezensionen schreiben und ins blog stellen (oder zu storygraph, in bookwyrm-instanzen)? wenn das am ende doch nur im google-ai-snippet landet? warum dann überhaupt noch was veröffentlichen?
auf der anderen seite: wenn niemand mehr die dinge ins web stellt, die ich selbst gern lese, bleibt nur noch ai slop.
tatsächlich lese ich selbst gern blogs aus dem dasein anderer leute, sowohl aus ihrem alltag, als auch von ihren reisen, von den büchern die sie gelesen haben, von kleinen freuden und großen katastrophen, von hund und katz, nachbarn und garten. von dingen, die sie ausprobiert haben und die geklappt haben oder schief gegangen sind, kurzum: vom leben. und ich mag blogs mit einer bunten mischung, auch wenn ich selbst oft eher compartmentalization betrieben habe.
in einem lesenswerten beitrag1https://www.derekwessman.com/blog-1/for merkt derek wessmann an, dass er an einem punkt sei, wo er begriffen habe, dass er seine ressourcen strikter einteilen und gezielter einsetzen müsse, und ich fasse seine „acorns“, die er als symbol benutzt, mal ebenso als spoons / lebensenergie wie einfach verbleibende lebenszeit auf. er schreibt in For:
The limited time I devote to non-acorn-stashing activities needs to be best-possibly-spent.
So: “What am I for?”
frau sinnundverstand2https://mstdn.social/@sinnundverstand schrieb in Baumstammbalancieren soll wieder selbstverständlich sein3https://www.sinnundverstand.net/baumstammbalancieren-soll-wieder-selbstverstaendlich-sein/ etwas, das mich sehr angesprochen hat:
Alles hängt mit allem zusammen und so ist die Frage, wo im Internet ich nun meine überschüssigen Gedankenfäden und die Dokumente meines Alltags hinlege, keine ganz banale. Vielleicht ist es endlich an der Zeit, die Bilder und Texte wieder nach Hause zu bringen.
letzten endes war mein antrieb, zu bloggen, immer ein intrinsischer. ich tue es für mich. um meine gedanken beim schreiben zu sortieren und strukturieren, um dinge festzuhalten. leser*innen sind, wie joel in Lehren die ich aus der re:publica25 gezogen habe4https://joel.lu/2025/05/30/lehren-die-aus-der-republica25-gezogen-habe/ für sich feststellt, eher ein bonus.
er zitiert johnny häussler aus dem jahr 2013 mit
Es wird also Zeit, dass wir uns – und damit meine ich alle Internet-Nutzer, deren Nutzungsverhalten über den gelegentlichen Online-Einkauf von Waren hinaus geht – das Web zurückholen…
deswegen fange ich hier nochmal an zu bloggen. mittelfristig werde ich mein altes kruschelblog, meine rezensionssammlung, und soweit im internetarchive noch auffindbar, auch andere alte beiträge von mir hier archivarisch versammeln.
- 1https://www.derekwessman.com/blog-1/for
- 2https://mstdn.social/@sinnundverstand
- 3https://www.sinnundverstand.net/baumstammbalancieren-soll-wieder-selbstverstaendlich-sein/
- 4https://joel.lu/2025/05/30/lehren-die-aus-der-republica25-gezogen-habe/